Die Astrophysik hat durch Computersimulationen seit langem vorhergesagt, dass massereiche Sterne als Zwillinge, Drillinge oder noch höhere Vielfachsysteme geboren werden. Allerdings gab es bislang nur wenige Beobachtungen, die die Theorie bestätigen konnten. Eine detaillierte Untersuchung unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck- Instituts für Astronomie zeigte nun in einem massereichen Sternhaufen vier binäre Protosterne, ein Dreifach-, ein Vierfach- und ein Fünffachsystem. Die Ergebnisse stimmen mit Modellen der HITS-Wissenschaftlerin Rajika Kuruwita überein und bestätigen unser Verständnis der Sternentstehung: Solche Sterne werden sehr häufig als Mehrlinge geboren.
Bei massereichen Sternen gilt die Mehrlingsgeburt seit langem als die Norm. Das haben insbesondere Simulationen gezeigt, die den Kollaps riesiger Gas- und Staubwolken von den Anfängen bis zur Bildung einzelner Sterne im Wolkeninneren nachzeichneten: ein hierarchischer Prozess, bei dem sich größere Wolkenteile zu dichteren Kernregionen („cores“) zusammenziehen, in deren Inneren anschließend massereiche, aber auch zahlreiche weniger massereiche Sterne entstehen.
Bisher fehlte jedoch die systematische Bestätigung durch Beobachtungen, da es sehr schwierig ist, in Sternentstehungsgebieten so kleine Details zu beobachten. Die Möglichkeit dazu wurde geschaffen, als das ALMA-Observatorium in Chile den Beobachtungsbetrieb aufnahm. Eine internationale Forschungsgruppe konnte dreißig vielversprechende massereiche Sternentstehungsregionen beobachten.
Die Analyse wurde von Shanghuo Li vom Max-Planck-Institut für Astronomie geleitet. Die Ergebnisse sind jetzt in Nature Astronomy erschienen. Die Forschenden fanden vier Doppelsternsysteme, ein Dreifach-, ein Vierfach- und ein Fünffachsystem – in Übereinstimmung mit den Erwartungen. HITS-Astrophysikerin Rajika Kuruwita steuerte zu dieser Arbeit einige Computermodelle bei, die durch die Beobachtungen überprüft wurden. „Wir fanden heraus, dass die beobachtete Verteilung der Abstände zwischen den Sternen in diesen jungen Mehrfachsternsystemen mit unseren Modellen der Entstehung von Mehrfachsternsystemen durch Kernfragmentierung übereinstimmt.“
Mehr Informationen in der Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie: https://www.mpia.de/aktuelles/wissenschaft/2024-02-multiplicity-starformation
Publikation:
Shanghuo Li et al., „Observations of high-order multiplicity in a high-mass stellar protocluster“, Nature Astronomy, 15. Januar 2024. https://www.nature.com/articles/s41550-023-02181-9
Die Veröffentlichung zu den Computermodellen von Rajika Kuruwita findet sich hier: Rajika Kuruiwita and Troels Haugbølle „The contribution of binary star formation via core fragmentation on protostellar multiplicity. A&A, Volume 674, June 2023. https://www.aanda.org/articles/aa/abs/2023/06/aa44882-22/aa44882-22.html
Das HITS (Heidelberger Institut für Theoretische Studien) wurde 2010 von dem Physiker und SAP-Mitbegründer Klaus Tschira (1940-2015) und der Klaus Tschira Stiftung als privates, gemeinnütziges Forschungsinstitut gegründet. Es betreibt Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften, der Mathematik und der Informatik. Zu den Hauptforschungsrichtungen zählen komplexe Simulationen auf verschiedenen Skalen, Datenwissenschaft und -analyse sowie die Entwicklung rechnergestützter Tools für die Forschung. Die Anwendungsfelder reichen von der Molekularbiologie bis zur Astrophysik. Ein wesentliches Merkmal des Instituts ist die Interdisziplinarität, die in zahlreichen gruppen- und disziplinübergreifenden Projekten umgesetzt wird. Die Grundfinanzierung des HITS wird von der Klaus Tschira Stiftung bereitgestellt.
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